Fotos: Barbara Walzer / Mathias Braun | Text: Alexandra Flieth
Wie viele gute Ideen entstand auch diese eher zufällig. Vor gut einem Jahrzehnt hatte sich Ralf Becker in seiner Vier-Zimmer-Dachgeschoss-Wohnung selbst einen kleinen separaten Raum im Flur gezimmert. Eine gläserne Kammer oder überdimensionierte Vitrine, raumhoch, eineinhalb Quadratmeter groß, außen Metallrahmen, innen beleuchtet. Sie sollte eigentlich nur zur Präsentation künstlerischer Neuerwerbungen dienen. Doch befreundete Künstler*innen schlugen vor, dort doch einmal eine kleine Ausstellung zu machen. Gesagt, getan: Premiere war 2013; mit viel positiver Resonanz. Seitdem organisiert Becker zweimal jährlich Kunstschauen, die gläserne Kammer als Blickfang – immer neu und individuell gestaltet.
So oder ähnlich liest sich manche Geschichte einer »Wohnzimmergalerie« im mondän-bürgerlichen oder sich dafür haltenden Frankfurt, im Westend oder im Bahnhofsviertel. Doch diese Geschichte ist anders. Beckers Wohnung liegt in Oberrad – gefühlt das genaue Gegenteil des Westends. Im dritten Stock eines alten Mehrfamilienhauses, in einer Seitenstraße, nahe der Oberräder Felder. Und Becker? Ist nicht Bankier oder Lebensgefährte einer Rechtsanwältin. Er ist Schreiner, angestellt. Kunst ist – trotzdem – seine Leidenschaft. Er wohnt mit Kunst – Zeichnungen der Malerin Bea Emsbach, Objekte von Wolfgang Klee oder Gemälde von Jan-Ulrich Schmidt füllen Wände im Wohnzimmer, im Schlafzimmer, im Flur, überall. Die Sammlung, die hat er sich, man könnte sagen: »zusammengezimmert«. Immer mal wieder hat er Künstler*innen, mit denen er lange befreundet war, in der Wohnung geholfen, einmal eine ganze Küche eingebaut. Und wurde dafür nicht selten großzügig beschenkt, sodass neben kleineren zugekauften Beständen auch manches Meisterwerk in seinen Besitz kam.
Wenn Kulturschaffende auch Menschen sind, die Orte und Räume für Kultur schaffen, ist auch Becker ein »Kulturschaffender«. Er gibt oft weniger bekannten und betuchten Künstler*innen Raum. Er kuratiert – und legt selbst Hand an, wenn er etwa einem Künstler Rahmen für seine Bilder baut. Passgenau für jedes Bild, versteht sich. Die Auswahl ist – ohne Abstriche – handverlesen. Becker zeigt, was ihm gefällt, hat allerdings ein Gespür für spannende Positionen der zeitgenössischen Bildenden Kunst – vor allem mit Blick auf die Region. Seine Leidenschaft für Kunst und Künstler*innen pflegt er. Dabei ist er keiner, der im Rampenlicht stehen möchte. Er möchte Kunst und ihren Produzent*innen eine Bühne bieten, und sie mit einem Publikum zusammenbringen. Viele Gäste bringen meist »noch jemanden mit« und stetig wächst so die Besucherzahl. Und wenn Künstler*innen etwas verkaufen, geht der Erlös an sie. Becker selbst sieht man zudem immer wieder mit Kappe und Latzhose in Galerien und Off Spaces auftauchen, Künstler*innen erzählen von ausgedehnten Atelierbesuchen, für die er sich immer viel Zeit nimmt. Wobei er es genau umgekehrt formulieren würde.
Die Kammer, die dem »Ausstellungsraum Becker« Profil gibt, ist längst nur noch ein Platz in der Wohnung, an dem eingeladene Künstler*innen präsentieren können. Ein weiteres der einfach, aber liebevoll mit teils handgebauten Möbeln und feinen Beleuchtungssystemen sowie Mut zur Farbe gestalteten Zimmer räumt er für Ausstellungen frei, genauso wie die Wände im Flur. Zu Eröffnung und Finissage spielt besonders die Küche eine wichtige Rolle. Oft bis spät in die Nacht gibt es hier Gespräche. Alle eint die Begeisterung für Kunst, aber auch die Schaffung einer finanziellen Förderung für Kulturschaffende wird schon mal diskutiert. In einer Mischung aus Galerie und künstlerischem Debattierclub. Dass die Küche zwischen Vitrine und Ausstellungsraum liegt, ist ein charmanter Nebeneffekt. Berühmt die Eröffnungen, die oft an Silvesterpartys mit gemeinsamem Küche-Stehen bei Wein und Brezeln erinnern. Wobei auch andere Räume offenstehen – und neben viel Kunst einen fantastischen Blick über die Oberräder Felder auf die Skyline von Frankfurt freigeben. Legendär zudem die Finissagen, wenn an einer einfachen Tafel Freunde, Künstler*innen und spontane Gäste bei Pasta, Auberginen, Wein oder Wasser auf alten Holzstühlen unter der Dachschräge bis in die Nacht zusammensitzen. Und es ist typisch, dass die Eingeladenen da nicht »handverlesen« sind – und ein zusätzlicher Stuhl immer noch gefunden wird. Nun ja, bei Schreiners eben … (alf.)
· 1969 in Frankfurt geboren
· 1985 Ausbildung zum Schreiner
· 2013 Gründung »Ausstellungsraum Becker« · Oberrad · Frankfurt
· 2019 »Ausstellungsraum Becker« zu Gast in der
»Ausstellungshalle 1A« · Sachsenhausen · Frankfurt
· 2020 Planung und Realisierung eines
Künstlerateliers
· 2022 Planung und Realisierung von
Ausstellungsmöbeln · Museum Wiesbaden
· 2025 Planung und Realisierung von
»Wolfgang Klee´s Atelier«
im Werkbund Hessen · Frankfurt
Ausstellungen im Kunstraum Becker
· 2013 »Große Namen füllen einen Raum«
Christian Appel
· 2013 »Licht-Fall«
Siegfried Kärcher
· 2014 »Sitz-Gelegenheit«
Malte Kulenkampff
· 2015 »Hallenhütten«
Christian Appel
· 2015 »Kleinode des Minotaurus«
Cornelia Kube-Druener und Wolfgang Klee
· 2016 »Gegenüber der Wiese«
Maha Zarkout
· 2016 Arbeiten auf Papier und Holz
Cordelia Heymann & Bob Llyod
· 2017 »Cutting back to look better«
Line Krom
· 2017 »Sketch Show«
Jörg Simon
· 2018 »Felder«
Jost Stenger
· 2018 »Notation«
Wolfram Sulek
· 2019 »Was bleibt«
Stefanie Grohs
· 2021 »Mandarine 37.047«
Johannes Kersting
· 2021 »ich schaue gerne genau hin«
Taek Bong Kim
· 2022 »klärt sich das wasser
werden die steine sichtbar«
Kerstin Krone Bayer
· 2022 »Die Blume träumt nicht von der Biene«
Jan-Ulrich Schmidt
· 2023 »figura«
Brigitte Waibel
· 2024 »Ich will mir um unsere Zukunft
keine Sorgen machen«
Tobias Schnotale
· 2025 »Wolfgang Klee – Zeichnungen und Objekte
aus der Sammlung Becker«
· 2025 »vundelinc«
Haru Neidhardt